Freitag, 26. Dezember 2008

Thesen zur Stadtentwicklung von Helmut Böhme

1. Ausgangsthese
Die zentrale Frage der Zukunft zielt auf die Fähigkeit des Menschen, mit sich, seinen Mitmenschen und mit seiner Umwelt so umzugehen, daß er überlebt.

Kultur
Gelingt es einzelnen oder Bevölkerungsgruppen Lebensinhalte und Lebensziele zu artikulieren, dann entsteht eine kulturelle Dimension. Mit der Entfaltung zur sozialkulturellen Persönlichkeit entwickelt sich soziokulturelle Qualität.

Identität
Mit der Antwort auf die Frage nach dem Woher, Wo und Wohin beginnt Identität an Profil zu gewinnen.

Nachhaltigkeit
Es geht künftig darum, nicht mehr zu gebrauchen und zu verbrauchen als sich wieder erneuert oder nachwachsen kann.

Ökonomische Tragfähigkeit
Gesetze des Marktes bestimmen die Tragfähigkeit einer Wirtschaft. Man kann nur verwirklichen, was man auch bezahlen kann.

Soziale Balance
Einschränkungen in der kulturellen Entfaltungsmöglichkeit, Störungen der Identität und Einbrüche in der wirtschaftlichen Tragfähigkeit haben Folgen für die Sozialstruktur der Gesellschaft. Wir stehen in einem Umbau der Gesellschaft, der die soziale Balance im Blick behalten muß.

Seelische Komponente
Ausschließliche Fixierung auf Kategorien der Vernunft führt nicht nur beim einzelnen, sondern auch in der Gesellschaft zu Brüchen mit schwerwiegenden Konse-quenzen.

Neue Dimension des Raumes
Die Welt wird kleiner, das Kleine gewinnt an Bedeutung. Regionalisierung greift um sich.

Ende der Systeme, Zukunft dynamischer Entwicklung
Gesellschaftssysteme jeder Art haben abgewirtschaftet, geschlossene Systeme nicht überlebt.

Konsens erfordert Transparenz
Eine demokratische Gesellschaft lebt von der Zustimmungsbereitschaft der sie tragenden Menschen. Zustimmung kann von mündigen Bürgern nur erwartet werden, wenn diese in der Lage sind, Zusammenhänge und Sachverhalte zu erkennen und zu bewerten. Deshalb müssen Entscheidungsprozesse in Demokratien nachvollziehbar bleiben, auch bei zunehmender Komplexität der Probleme.

Partizipation
Zustimmungsfähigkeit und Tragfähigkeit ihrer Entscheidung sind in einer demokratischen Gesellschaft gefährdet, wenn die Beteiligung Betroffener und Beteiligter vernachlässigt wird. Emanzipation als partnerschaftliche Beteiligung Benachteiligter ist künftig Bestandteil jedes Partizipationsprozesses.

2. Ausgangsthese
Wachstum verliert seine zentrale Bedeutung, an seine Stelle tritt ein dynamisches Gleichgewicht. Nicht immer „Mehr“ von allem, sondern immer mehr „Nachhaltigkeit“ von Wichtigem ist gefragt. Entsprechend verlagern sich die Wertmaßstäbe.

Von der Quantität zur Qualität
Wir fragen künftig weniger nach dem Wieviel und mehr nach der Güte dessen, was wir brauchen.

Vom Verbrauch zum Gebrauch
Die Gesellschaft der Zukunft wird ihren Konsum drastisch senken und langfristige Nutzungen anstreben.

Von der Oberflächenbrillanz zur Tiefenschärfe
Lebensqualität zielt auf Gehalt.

Von der Zeitverschwendung zur Zeitverwendung
Zeit wird ein kostbares Gut.

Über die Individualität zur Solidarität
Der einzelne verliert seine gesellschaftsprägende Kraft als Subjekt und wird über seine soziale Funktion wirksam.

Vom Nutzen zur Verträglichkeit
Ökonomisches Handeln verliert die reine Profitorientierung und öffnet sich Fragen der ökologischen und sozialen Verträglichkeit seiner Entscheidungen.

Von der Isolierung zur Vernetzung
Die gesellschaftlichen Lasten können nur gemeinsam getragen werden.

Raum - ein Netz von Teilräumen
Globale Räume verlieren ihre Eindeutigkeit.

Von der Stabilität zur Flexibilität
Statische Betrachtungsweisen verlieren ihre Aussagekraft, bewegliche Reaktionen auf neue Entwicklungen sind gefragt.

Nischen als Entwicklungschancen
Nicht nur die Opfer gesellschaftlicher Entwicklung, auch die bewußt alternativ Lebenden suchen nach Freiräumen zur Gestaltung ihres Lebens.

3. Ausgangsthese
Dieser Wertewandel in der Gesellschaft führt zur Verlagerung auch in der Wahl von Instrumenten für die Bewertung. Neue Kategorien gewinnen an Bedeutung.

Von der Simulation zum Szenario
Umfassende Simulationsmodelle werden zunehmend ergänzt durch Konzeptionen, in denen nicht die Wirklichkeit abgebildet und zur Grundlage von Rechenoperationen gemacht wird, sondern eine angemessene Auswahl qualitativer Merkmale ausreicht, um künftige Entwicklungen mit hinreichender Genauigkeit abzuschätzen.

Vom System zum Anwenderprogramm
Geschlossene Systeme haben ihre Faszination verloren. Nicht das System, sondern die Anwendungsmöglichkeiten sind gefordert.

Vom Einzelprojekt zum Pool
Künftig lohnt sich der Aufwand der Bewertung für ein einzelnes Projekt immer seltener. Pool-Lösungen sind gefragt.

Von der Selektiv- zur Strukturbetrachtung
Ganzheitliche Betrachtungsweisen lösen die Einzelbetrachtung ab.

Von der Aktualität zur Kontinuität
Nicht mehr die jüngsten Daten interessieren, sondern diejenigen, die Bestand haben.

Vom Ordnungssystem zum kontrollierten Chaos mit System
Chaos wird als Element einer Funktion verstanden.

Von der Deskription zur Analyse
Qualität braucht Analyse.

Von der Faktenbewertung zur Meinungsanalyse
In wachsendem Umfang gewinnen Meinungsumfrage und -bewertung an Bedeutung.

Von der Priorisierung zur Differenzialbetrachtung
Komplexität wirkt sich aus auf die Bewertungskategorien. Eindeutige solitäre Entscheidungen sind immer weniger möglich - und damit einfache Rangfolgen.

Vom Teilraum zum Raumnetz
Es reicht nicht mehr die Betrachtung des Raumes allein. Seine Bezüge sowohl nach außen wie nach innen gewinnen an Bedeutung.

4. Ausgangsthese
Abkehr von geschlossenen Systemen - Hinwendung zu offenen Netzwerken: inhaltlich, formal, temporal, horizontal und vertikal öffnen den Weg in die Zukunft. Lebensfähige Systeme sind immer nach außen offen, von außen zugänglich (Vester).


Kooperative Koordinierung
Verstärkte Zusammenarbeit gewinnt kooperative Züge und erzielt erhöhte Koordi-nation.

Etablierung von Raum und Zeit
Eine neue Dimension des Raumes und eine neue Kategorie von Zeit werden eingeführt und gewinnen an Bedeutung.

Neubewertung der Bestände
Alles Bestehende muß nach den neuen Wertmaßstäben überprüft werden.

Neue Maßstäbe
Etablierung und Integration neuer Maßstäbe nach Raum und Zeit werden notwendig.

Bündelung und Aggregation
Um der Überfülle an Informationen Herr zu werden, ist Bündelung nötig. Synergieeffekte werden gezielt angestrebt.

Diese Thesen werden im folgenden Beitrag erläutert.

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